Autismus

Seit den 1980-er Jahren hat sich die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Forschung wieder verstärkt dem Bereich Autismus gewidmet. Sprach man in den 1940-er Jahren noch vom sogenannten Kanner und Asperger Autismus hat sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema dahingehend gewandelt, dass man nun vom „Autismus Spektrum“ spricht, was eine komplett andere Sichtweise auf die Beeinträchtigung ermöglicht, in der sich die Personen aus dem Autismus Spektrum bewegen. Durch die Einführung der ICF im Jahre 2001 und die damit verbundene ressourcenorientierte, ganzheitliche Sichtweise (bio-psycho-soziales Modell) auf den Menschen, wurde ein Förderinstrument etabliert, welches es ermöglicht, an den Stärken eines Individuums anzusetzen und es in allen Bereichen des täglichen Lebens individuell zu unterstützen und zu fördern.

Autismus – Versuch einer Begriffsdefinition:

„Die UN schätzen, dass es weltweit 67 Millionen Autisten gibt“ (https://www.welt.de/gesundheit/article13018002/60-000-Autisten-und-kein-Patient-ist-gleich.html). Für Deutschland gibt es keine evidenzbasierten Zahlen, jedoch wird die Zahl auf ca. 60 000 Menschen geschätzt, Tendenz steigend (ebd.).

Etymologisch:

„Ich-Bezogenheit, Zurückgezogenheit auf sich selbst. Abgeleitet vom griechischen 'Autos' (selbst, eigen, persönlich) wurde der Begriff von Bleuler 1911 in seiner Schizophreniemonographie zur Bezeichnung einer besonderen Form des Verhältnisses zur Wirklichkeit herangezogen, die er als die „Loslösung von der Wirklichkeit zusammen mit dem relativen und absoluten Überwiegendes Binnenlebens“ verstand (s. Antor/Bleidick, 2001, S. 234). Autismus wird heute als komplexe, neurobiologisch bedingte Entwicklungsstörung definiert.  Betroffene Entwicklungsbereiche sind: Blickkontakt, Mimik, Gestik, der soziale und emotionale Austausch, sowie die verbale und nonverbale Kommunikation. Oft dominieren stereotype, aber auch schwer selbstverletzende, aggressive und destruktive Handlungen.

Das Feld der Störungen ist viel komplexer als es Mitte der 40er Jahre von Kanner und Asperger beschrieben wurde. Auch die Abgrenzung zwischen „frühkindlichem Autismus“ und „Asperger Autismus“ ist hinfällig geworden. Inwieweit sich autistische „Störungen“ von anderen „Störungen“ abgrenzen oder diese beinhalten, ist noch nicht ausreichend erforscht. Eine Heilung im medizinischen Sinn ist nicht möglich.

Konkret bedeutet dies:
  1. Eine qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen

    Menschen mit Autismus Spektrum Störungen (ASS, neuer: ASC = Autism Spectrum Conditions) fehlt die Fähigkeit, die Gedanken und Gefühle anderer angemessen wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Soziale Regeln und Normen werden nicht intuitiv (instinktiv, unbewusst) erfasst, nicht durch Imitation (Nachahmung) erworben und können nicht flexibel angewendet werden. Sie müssen gezielt erlernt werden. Aus diesem Grund stellen soziale Situationen für Menschen mit ASS eine große Herausforderung dar, die zu Verunsicherung und Überforderung führen kann und deshalb oft gemieden wird.

  2. Eine qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation

    Menschen aus dem Autismus-Spektrum verstehen oftmals verbale Äußerungen in der Regel wortwörtlich, was oft zu Missverständnissen führt. Bei den Meisten ist die Motivation zur Kommunikation gering und die Themenauswahl eingeschränkt. Oft haben Menschen aus dem Autismus-Spektrum große Schwierigkeiten, der Umwelt ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Weitere Auffälligkeiten in der Kommunikation sind Veränderungen der Sprachmelodie, stereotype Äußerungen, die nicht immer der Situation angemessen scheinen, eigene, ungewöhnliche Wortschöpfungen, häufiges Fragen und Echolalie.

  3. Eine Beeinträchtigung in der Wahrnehmung und der Reizverarbeitung

    Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben Schwierigkeiten beim Filtern und Verarbeiten von Sinneseindrücken. Ihre Informationsverarbeitung ist verzögert. Auffällig ist das häufige Auftreten von extremer Reizüber- oder  Unter Empfindlichkeit.

  4. Eingeschränkte, sich wiederholende, stereotype Verhaltensmuster und Interessen

    Menschen aus dem Autismus-Spektrum neigen dazu, starr an Routinen und einmal erlernten Handlungsstrategien festzuhalten. Oft sind stereotype und zwanghafte Verhaltensweisen zu beobachten. Auf plötzliche Veränderungen reagieren sie mit Widerstand, Angst, manchmal auch mit Panik. Viele haben ein Problem, ihre freie Zeit eigenständig zu strukturieren und mit Inhalten zu füllen. Die meisten haben sehr eingeschränkte Interessen oder neigen zu ausgefallenen Spezialinteressen. Die jeweilige individuelle Ausprägung dieser vier Aspekte kann sehr unterschiedlich sein.

Medizinische Klassifizierung

Bis März 2013 unterschied man die Erscheinungsformen des Autismus in der DSM V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) F84 frühkindl. A., F84.5 Asperger Syndrom, F84.1 atypischer A., usw.

In der neuen DSM VI sind diese unter Autismus Spektrum Störungen zusammengefasst.